November

"Ein weiser Tartlaner [Tartuer?, Einwohner der Stadt Tartu] trägt eine/die Maske!" klebt jetzt in allen Bussen.

Ein typischer Novembertag

Um 7:30 klingelt mein Wecker und ich bleibe erst einmal eine weitere viertel Stunde unter meinen drei Decken liegen, denn außerhalb ist es meist ziemlich kalt. Sobald ich aufgestanden bin ziehe ich mir meine Klamotten an, die jetzt schon aus Skiunterwäsche UND normaler Bekleidung besteht. Ich habe noch keine Ahnung wie das dann im richtigen Winter wird.

In Küche und Bad hat es morgens meistens so um die 9°C, weshalb ich mir nur schnell meine Haferflocken, ‚Kamapallid‘ (geschmacksneutrale Getreidebällchen) und ein Stück Obst zusammenschmeiße und mich wieder zurück in mein Zimmer setze.

Nach dem Frühstück spüle ich noch kurz ab, putze Zähne, packe mein Mittagessen ein und verlasse das Haus. Die Bushaltestelle liegt etwa 100 Meter von meiner Haustür entfernt und das ist natürlich toll, wenn ich schwere Einkäufe zu tragen habe, führt aber morgens oft dazu, dass ich den 8:30 Bus nur noch von hinten sehe. Dann hab ich genau 7 Minuten um im Schnellschritt zu einer anderen Bushaltestelle zu laufen, was ich bis jetzt auch immer ziemlich genau hinbekommen habe.

Auf Arbeit angekommen unterhalte ich mich meistens erstmal ein wenig mit dem dienst-habenden ‚worker‘ über dies und das, bevor wir mit den clients einkaufen gehen, oder Medizin verteilen oder sonst irgendwas machen. An einem typischen Tag rede ich mit clients, gehe vielleicht spazieren oder helfe beim Umgang mit Computern, bastele etwas oder höre russische Musik in viel zu hoher Lautstärke. Gibt es hin und wieder mal nichts zu tun, lerne ich Estnisch oder sitze einfach nur rum.

Da es bei mir im Umkreis keinen der billigen Supermärkte gibt, gehe ich nach der Arbeit oft noch in das nahegelegene riesige Shoppingcenter ‚Lõunakeskus‘ (zu Deutsch: Südcenter) und kaufe noch Lebensmittel, bevor ich mich in den Bus nach Hause setze.

Ist mein Mitbewohner nicht zuhause muss ich dann erst mal Feuer machen und räume natürlich sofort alle Einkäufe weg (nicht). Abends habe ich entweder noch irgendeinen Termin (eigentlich nur Führerschein und Orchester), treffe mich mit einer von meinen Mentorinnen oder nehme mir die Zeit, um etwas bisschen Aufwändigeres für den nächsten Tag zu kochen.

Eigentlich habe ich immer vor früh ins Bett zu gehen, aber selten wird es vor 23:30. Ich glaube es liegt auch daran, dass es hier schon so früh dunkel wird und ich die meiste Zeit keinen Mitbewohner habe, dann kann man sehr schlecht einschätzen wie viel Uhr es tatsächlich ist und hat auch keine Person, an der man sich orientieren könnte. Obwohl das Haus eigentlich an einer gut befahrenen Straße liegt ist es nachts sehr ruhig und schlafe in der Regel sehr gut (außer mein Mitbewohner kommt und geht um 4:30 morgens vom/zum Militär).

Was gibt's Neues?

Ich habe ein Zimmer! Nachdem ich Anfang des Monats noch bei einer meiner Mentorinnen und ihrem südamerikanischen Freund leben musste (die beiden sind wirklich super und ich bin ihnen richtig dankbar!) habe ich nach vielem herumsuchen einen Platz gefunden. Die Wohnung gehört Raido, ein Estne, der in meinem Kopf nur ‚military-guy‘ heißt, weil er dort arbeitet und deshalb normalerweise unter der Woche nicht zuhause ist. Die Wohnung ist klein, aber nett. Geheizt wird mit einem einzigen Kamin, der in meinem Zimmer steht, das ursprünglich vermutlich als Wohnzimmer gedacht war. Das zeigt sich auch daran, dass Raido jedes Mal wenn er sein Zimmer betreten oder verlassen möchte durch meines laufen muss. Das geht aber voll in Ordnung, denn er verbringt eh die meiste Zeit die er da ist in seinem Zimmer, denn jeder andere Raum in der Wohnung ist im Moment zu kalt für längere Aufenthalte ohne Bewegung.

Auch sonst habe ich in diesem Monat angefangen ein eher normales Leben zu führen. Ich bin jetzt Mitglied des Universitätsorchesters und mache bei einer deutschsprachigen Theatergruppe mit. Vor knapp zwei Wochen bin ich außerdem einem Sportklub/ Fitnessstudio beigetreten, was zwar sehr teuer ist, aber es gibt ein integriertes Schwimmbad, wodurch sich das ganze schon wieder lohnt. Schwimmen im regulären Schwimmbad kostet nämlich Abends und am Wochenende 8€!
Am 28.11. habe ich außerdem meinen Corona-Boostershot bekommen, was hier sehr viel einfacher und unkomplizierter ist als es in Deutschland zu sein scheint.

Highlights:

  1. Definitiv mein Ausflug nach Viljandi über den ich sogar einen eigenen Blogpost verfasst habe. Hat sehr viel Spaß gemacht und es war interessant mal ein anderes estnisches Städtchen zu sehen.
  2. Die Leute. Zugegebenermaßen habe ich (außer mit meiner Mitfreiwilligen Anna) noch keine engen Freundschaften geschlossen, aber ich verstehe mich wirklich gut mit meinen beiden Vorgesetzten in der Laseri-Unit, im Orchester und in der Theatergruppe sind nette Leute und meine beiden Mentorinnen sind wirklich super nett und ich treffe mich einigermaßen regelmäßig mit beiden. Natürlich gibt es auch nicht so coole Leute, aber die sind bis jetzt wirklich in der Minderheit geblieben.
  3. Der Schneee! Wir hatten davor auch schon einzelne Tage an denen es ein wenig geschneit hat und auch Tage, an denen es nie wärmer als -1°C war, aber in den letzten Novembertagen hat es richtig zu schneien angefangen und der Schnee ist auch bis jetzt (03.12.) liegen geblieben. Gerade liegen so etwa 30 cm und es ist wirklich faszinierend wie viel heller alles bei Nacht jetzt ist. Ich hoffe wirklich, dass es noch sehr lange so bleibt!

Lowlights:

  1. Auf der Arbeit bin ich diesen Monat an manchen Tagen in eine andere ‚unit‘ gegangen. Dort fällt es mir aus mehreren Gründen deutlich schwerer etwas Sinnvolles zu tun und ich finde nicht wirklich Anschluss, weshalb die Tage dort immer etwas langweilig und frustrierend sind.
  2. Das wirklich gute und stabile Internet in der Wohnung reicht leider nicht bis in die Küche. Während man sich Musik und Podcasts zum Kochen noch herunterladen kann, ist es schwer irgendwas von YouTube nachzukochen und unmöglich mit Leuten Internetanrufe zu führen.
  3. Zwar habe ich wirklich viele soziale Kontakte und Interaktionen, aber wirkliche Freundschaften in Tartu konnte ich noch nicht schließen. Ich denke dafür bleibt noch genug Zeit, aber es wäre trotzdem cool noch mehr echte Esten kennenzulernen